Noch nie hat Efteling einer Märchenfigur so viel Raum gegeben wie Pinocchio. Man präsentiert nicht nur ein Musical, das sich mit dem hölzernen Burschen befasst, nein, auch ein Restaurant ist ihm gewidmet worden, und natürlich, wie seit kurzem bekannt, hält er 2016 Einzug in den Märchenwald. Bald dürfte Baubeginn sein, erste Baupläne sind bereits aufgetaucht.
Doch bevor Geppetto und sein Junge aus Pinienholz ihren festen Platz zwischen Rotkäppchen und den tanzenden Schuhen bekommen, machen sie erst einmal als Helden des neuen Efteling-Musicals Pinokkio die Bühne unsicher.
Die offizielle Premiere wird am 20. September stattfinden, vom 9. bis 19. September finden Try-Out-Vorstellungen statt. Wir besuchten die Nachmittagsvorstellung am 11. September.
Mit Komponist René Merkelbach und Textschreiber Allard Blom hat man sich an alte Bekannte gehalten, Regisseur Jerry Rijstenbil debütiert jedoch in Efteling.
Altbekannte Geschichte
Die Geschichte ist altbekannt und wie erwartet werden keine neuen Ansätze in das Musical aufgenommen. Trotzdem hätte die Originalvorlage noch weitere interessante und selten verarbeitete Aspekte geboten, die hier ausgelassen werden.
So wird zum Beispiel die gesamte durchaus interessante Entstehungsgeschichte Pinocchios ausgeklammert, er steht zu Beginn einfach fertig in Geppettos Werkstatt.
Das Musical beginnt mit der Fee namens Fay (bleibt leider nur plakativ: Alexandra Alphenaar), welche zu Beginn den Auftrag bekommt, der hölzernen Puppe (Max Mies als Sänger, Schauspieler und Puppenspieler) Leben einzuhauchen, was sie auch brav macht. Geppetto (hervorragend gespielt von Simon Zwiers) schickt ihn zur Schule, dort kommt er nicht an, stattdessen schließt er sich auf Anraten eines intriganten Fuchses und eines Katers (Barry Beijer, irritierend schizophren) einem Puppentheater an, spielt dort eine Vorstellung, bekommt fünf Goldstücke und geht noch immer nicht nach Hause. Erneut begegnet er Katze und Fuchs, die ihn über den Tisch ziehen, dann landet er in einer von einer zwielichtigen Gestalt (Ara Halici, spielt auch den Theaterdirektor) betriebenen Art Jahrmarkt auf einer Insel, in dem bekannterweise aus Kindern Esel werden, von dort flieht er, wird von einem Fisch verschluckt (hier eine Art Wels) und trifft dort auf Geppetto. Sie fahren nach Hause, Pinocchio wird ein echter Junge, und dann wird alles gut.
Keine Verschnaufpause
Das alles geht in einem Tempo vonstatten, bei dem nicht nur Kinder nicht mehr hinterher kommen, die Zuschauer bekommen kaum einen Moment zum Verschnaufen, zu schnell löst eine Szene die andere ab, man kommt sich vor wie in einer Nummernrevue. Dazu kommt noch, dass andauernd Schauspieler aus anderen Ecken kommen, plötzlich wird der Gang zwischen den Sitzreihen bespielt, dumm nur, dass die Hauptzielgruppe des Musicals aus eher kleineren Personen besteht und daher zumindest von den ersten Reihen aus nichts gesehen werden kann. Kinder haben nun mal ihren eigenen Kopf, und so können auch die Eltern nichts daran ändern, dass in ebendiesem Moment das absolute Chaos ausbricht. Die Zuschauer auf dem Balkon stehen auf oder verlassen diesen sogar, die Kinder aus den ersten Reihen rennen wie wild herum. Erst, als wieder auf der Bühne gespielt wird, legt sich diese fröhliche Anarchie.
Alexandra Alphenaar als Fee mit Max Mies
Wenige Lichtblicke, viele Enttäuschungen
Das von Maartje Reuven entworfene Bühnenbild ist einer der wenigen Lichtblicke dieser Inszenierung. Dezent, in schönen Farben und vor allem variabel ist es.
Simon Zwiers zählt auch noch zu diesen Lichtblicken, zumindest halb, stellt man sich unter dem gutmütigen Tischler doch eher einen kleinen, bebrillten, alten Herren mit weißen Haaren vor und keinen dicklichen Mann Anfang vierzig. Nichtsdestotrotz ist dieser Charakter derjenige mit dem größten Potential, nur bietet man ihm wenig Platz zur Entwicklung. Aus der kurzen Zeit, die Zwiers auf der Bühne zu sehen ist, am Anfang und natürlich am Ende, macht er sehr viel, er lässt die zerbrechliche Seite seiner robust wirkenden Figur sehen und verkörpert somit hervorragend den einzigen vielseitigen Charakter des Musicals.
Die am wenigsten gelungene Figur ist die gute Fee. Alexandra Alphenaar gibt sich große Mühe, aus dieser slapstickhaft angelegten Gestalt das Beste zu machen, doch wenn zum fünften Mal infolge eines missglückten Zauberspruchs Lauch vom Himmel fällt, noch nicht mal die Kinder lachen und im Theatersaal betretene Stille herrscht, dann kann auch die beste Schauspielerin nichts ausrichten.
Diese Hilfslosigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück, selbst der Kinderdarsteller Max Mies bleibt in der Titelrolle unterfordert und spielt weit unter seinen Möglichkeiten. Besonders irritierend ist die Tatsache, dass Mies 90% der Zeit Pinocchio als hölzerne Puppe, die an ihm befestigt ist, vor sich herträgt, somit eher Puppenspieler als Schauspieler ist, aber trotzdem ein sehr auffälliges violettes Kostüm trägt und Gestik und Mimik für Pinocchio übernimmt. So kommt nie das Gefühl auf, eine lebendige Puppe aus Holz vor sich zu haben, sondern eben einen Jungen, der eine Holzpuppe bespielt. Vor allem die Kinder irritiert das.
Mies und Zwiers beim Schlussapplaus
Nichtsdestotrotz ist Mies ein sehr guter Darsteller und Sänger, vor allem mit Ik hou van dansen und Dat is thuis überzeugt er.
Letztgenanntes Lied ist, obwohl sehr kurz, der Höhepunkt des Musicals. Mit Pinocchios Flucht von der schrecklichen Insel beginnt der beste Teil von Pinokkio, hervorragend gespielt, ruhig und dezent, musikalisch stark. Die Szene im Fisch ist eine der einprägsamsten, Komik und Spannung werden so gepaart, dass sowohl Eltern als auch Kinder erreicht werden.
Leider sind diese Stellen eine Seltenheit, sowohl szenisch als auch musikalisch.
Merkelbachs Musik ist nämlich eine große Enttäuschung. Lediglich der bereits im Voraus bekanntgewordene Song Ik hou van dansen bleibt im Ohr, der Rest ist ein Brei aus Standardmelodien, kein musikalischer Faden taucht auf, stattdessen setzt der Komponist allerlei Versatzstücke zusammen. Somit lässt sich sagen, dass vor allem Merkelbach auf erster Linie enttäuscht.
Das gesamte Ensemble bei der Zugabe. V.l.n.r Ara Halici, Alexandra Alphenaar, Max Mies, Simon Zwiers, Barry Beijer
Nach dem durchaus starken Musical Klaas Vaak, welches 2013 uraufgeführt wurde, kommt mit Pinokkio nur halbgare Kost.
Da die Try-Outs nur eine vorläufige Präsentation sind, kann man also nur hoffen, dass es noch besser wird.
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